Danish Girl badet in der Venuswelle – Oder wo das Begehren hin will

Soeben startete der Film The Danish Girl in unseren Kinos und begeisterte mich, beschäftigt er sich doch mit denselben Verschiebungen von Identitäten wie mein letztes Buch.
 
Mein Roman Venuswelle und der Film The Danish Girl – beides Inszenierungen von Transgender Wirklichkeiten – stellen die Frage nach den Wegen des Begehrens im Verlauf eines sich verändernden geschlechtlichen Selbstverständnisses in den Fokus von künstlerischer Produktion. In Venuswelle, die im Hier und Jetzt spielt sehnt sich der auf einer Atlantikinsel lebende Surfer und DJ Steve danach, zuerst nur in der Privatheit der Alkoven, dann immer mehr in der Öffentlichkeit als Frau begehrt zu werden.
 
In The Danish Girl verfolgen wir den bildenden Künstler der Belle Epoque Einar Wegener auf seinem Weg zur Frauwerdung. Als einer der ersten Menschen unterzieht er sich 1933 einer geschlechtsangleichenden Operation und wird zu Lili Elbe. Beiden Männern stehen starke Partnerinnen gegenüber und auch zur Seite, die ebenfalls aus den ihnen zugedachten Geschlechterrollen ausbrechen.
 
Nicht nur das, sie agieren als Movens dieser Umwandlung, triggern in ihren Partnern den Wunsch nach Veränderung des Geschlechtes oder dessen Erscheinungsbildes. Gerda Wegener, die Ehefrau von Einar porträtiert ihren Mann als Frau, um mit einem neuen Sujet die Welt der Kunstgalerien zu erobern. Was zuerst als müßiges Spiel mit Versatzstücken von Weiblichkeit begann wird zum lebensverändernden Ernst, als Einar aus seiner Rolle als weibliche Muse nicht mehr ausbrechen kann und will.
 
Nina in Venuswelle steigt aus Lust am Fetischsex auf Steves Verwandlung zur Diva Cindy ein, macht Cindy schnell zum Objekt ihrer Fotokunst und spiegelt dieser die Möglichkeit eines Outings jenseits der vier Wände.

Die Zeitepochen mit ihren Versprechen von Freiheit und mit ihren Zwängen könnten unterschiedlicher nicht sein. Die 30er Jahre kennen die Zersetzung jeder Art von Sicherheit, und Forschungen in der Sexualwissenschaft bringen neue Definitionen von Subjekt und Körper.

 

Ehebündnisse lösen sich leichter auf, Frauen lieben Frauen glücklich und öffentlich, tragen Bubikopf. Über Amazonen und Flapper werden Bücher verfasst, man spricht von konträrsexueller Empfindsamkeit, aber ein Mann, der zu einer Frau werden will, kann bestenfalls auf herablassendes Mitleid hoffen. Schlimmstenfalls muss er mit Elektroschocks, Einweisung in die Psychiatrie und Zwangsjacke rechnen.

Auch Einar entgeht nur knapp der Internierung. Er verdankt sein gesellschaftliches Überleben einzig seiner Frau, die ihn bis zum Ende in seiner Frauwerdung unterstützt und dem Zufall, den einzigen Arzt kennenzulernen, der eine Operation wagt.

Steve hingegen darf im Jetzt, in einer Zeit leben, in der die Lesben- Schwulen- und Transgenderbewegung zahlreiche Rechte erkämpft hat; eine Zeit, in der es oberflächlich betrachtet, den Anschein hat, als ob das switchen von Mann zu Frau kein stigmatisierbares Verhalten mehr ist. Und trotzdem ist er seinen inneren Ängsten hilflos ausgeliefert, an den verfemten Rand gedrängt zu werden, wenn er sich vor Freunden und Familie outen würde. In seiner, der unteren Mittelschicht von Blackpool wäre er der Lächerlichkeit preisgegeben, würde er sein Machotum zugunsten von Minirock und high heels aufgeben.

Frappierend ähnlich sind sich Einar und Steve jedoch in der narzisstischen Selbstgenügsamkeit, in die das Begehren sich hineinbegibt. Im Laufe der Zeit will Einar, will Steve nur mehr sich selbst. Die wiederholte Selbstinszenierung als richtige Frau ist der einzige Fluchtpunkt ihres Begehrens. Die Vergewisserung vor dem Spiegel, ob alle im Außen sichtbaren Insignien von Weiblichkeit, alle Gesten, Schritte, Augenaufschläge, Körperdrehungen und Hüftschwünge, Make-up, Kleidung und Frisur auch passen, bindet und fesselt alles Verlangen, alle Sehnsucht. Eine Beziehung zu einer Partnerin wird unmöglich. Nina, die keinerlei tiefe Liebe zu Steve hegt, geht bald ihrer Wege – zur anderen Ufern.

Gerda, Einars Ehefrau, bleibt als rettender Engel bis zum bitteren Ende. Ihrer großen Liebe treu, aber in der Beziehung entsexualisiert, mutiert sie zur Mutter. Die Paarbeziehungen von Steve/Cindy und Einar/Lili scheitern zwar an der Veränderung, die gelungene Selbstverwirklichung hebt jedoch den Schmerz darüber auf. Das Wasser der Elbe, die Wogen des Atlantiks sind Metaphern dieser Befreiung.

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