Die Zeitepochen mit ihren Versprechen von Freiheit und mit ihren Zwängen könnten unterschiedlicher nicht sein. Die 30er Jahre kennen die Zersetzung jeder Art von Sicherheit, und Forschungen in der Sexualwissenschaft bringen neue Definitionen von Subjekt und Körper.
Ehebündnisse lösen sich leichter auf, Frauen lieben Frauen glücklich und öffentlich, tragen Bubikopf. Über Amazonen und Flapper werden Bücher verfasst, man spricht von konträrsexueller Empfindsamkeit, aber ein Mann, der zu einer Frau werden will, kann bestenfalls auf herablassendes Mitleid hoffen. Schlimmstenfalls muss er mit Elektroschocks, Einweisung in die Psychiatrie und Zwangsjacke rechnen.
Auch Einar entgeht nur knapp der Internierung. Er verdankt sein gesellschaftliches Überleben einzig seiner Frau, die ihn bis zum Ende in seiner Frauwerdung unterstützt und dem Zufall, den einzigen Arzt kennenzulernen, der eine Operation wagt.
Steve hingegen darf im Jetzt, in einer Zeit leben, in der die Lesben- Schwulen- und Transgenderbewegung zahlreiche Rechte erkämpft hat; eine Zeit, in der es oberflächlich betrachtet, den Anschein hat, als ob das switchen von Mann zu Frau kein stigmatisierbares Verhalten mehr ist. Und trotzdem ist er seinen inneren Ängsten hilflos ausgeliefert, an den verfemten Rand gedrängt zu werden, wenn er sich vor Freunden und Familie outen würde. In seiner, der unteren Mittelschicht von Blackpool wäre er der Lächerlichkeit preisgegeben, würde er sein Machotum zugunsten von Minirock und high heels aufgeben.
Frappierend ähnlich sind sich Einar und Steve jedoch in der narzisstischen Selbstgenügsamkeit, in die das Begehren sich hineinbegibt. Im Laufe der Zeit will Einar, will Steve nur mehr sich selbst. Die wiederholte Selbstinszenierung als richtige Frau ist der einzige Fluchtpunkt ihres Begehrens. Die Vergewisserung vor dem Spiegel, ob alle im Außen sichtbaren Insignien von Weiblichkeit, alle Gesten, Schritte, Augenaufschläge, Körperdrehungen und Hüftschwünge, Make-up, Kleidung und Frisur auch passen, bindet und fesselt alles Verlangen, alle Sehnsucht. Eine Beziehung zu einer Partnerin wird unmöglich. Nina, die keinerlei tiefe Liebe zu Steve hegt, geht bald ihrer Wege – zur anderen Ufern.
Gerda, Einars Ehefrau, bleibt als rettender Engel bis zum bitteren Ende. Ihrer großen Liebe treu, aber in der Beziehung entsexualisiert, mutiert sie zur Mutter. Die Paarbeziehungen von Steve/Cindy und Einar/Lili scheitern zwar an der Veränderung, die gelungene Selbstverwirklichung hebt jedoch den Schmerz darüber auf. Das Wasser der Elbe, die Wogen des Atlantiks sind Metaphern dieser Befreiung.